Dienstag, 13. Oktober 2009

Burnout-Risiko an bayerischen Gymnasien steigt

Aus einer Pressemeldung des Bayrischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV):

München - Der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, hat in einer gemeinsamen Presseerklärung mit der Vorsitzenden der Gymnasialeltern Bayern e.V., Ulrike Köllner, vor einer Zunahme von Burnout- Symptomen bayerischer Gymnasiasten gewarnt. „Viele Schülerinnen und Schüler sind bereits wenige Wochen nach Schulbeginn erschöpft, müde und ausgebrannt“, erklärten beide heute in München. Besonders hart sei der schulische Alltag für die derzeitigen Schüler/innen der 11. Jahrgangsstufen, der erste G8-Jahrgang, der in die Oberstufe eingetreten ist: „Die Anforderungen, die die Oberstufenreform an die jungen Menschen stellt, sind hoch“, sagte Köllner. „Jugendliche haben zum Teil bis zu viermal pro Woche erst um 17 Uhr Schulende und müssen häufig nach langen Schulwegen auch noch Hausaufgaben und Unterrichtsvorbereitungen erledigen.“ Auch Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien stehen unter Druck: „Ihre Arbeitsbedingungen haben sich aufgrund der hohen Schülerzahlen sowie des Mangels an qualifizierten Fachlehrern/innen extrem verschlechtert.“ Darauf wies der Leiter der Fachgruppe Gymnasium im BLLV, Roland Kirschner, hin.

Bayerische Gymnasiasten elfter Klassen sind mit Schuljahresbeginn in die sog. „Qualifikationsphase”, Q11, eingetreten. Zuvor nannte sie sich Kollegstufe. „Hatten die Vorgänger der Q11-Jahrgänge in der Kollegstufe (K12) gut 28 Unterrichtsstunden pro Woche, beläuft sich das Pensum der Schüler/innen, die die neue Qualifikationsphase Q11 besuchen, auf bis zu 38 Stunden“, rechnet Kirschner, der selbst eine Q11- Klasse im Fach Mathematik unterrichtet, vor.

Bei den meisten liege die Anzahl der Wochenstunden bei etwa 35 Stunden. Vorgeschrieben seien insgesamt 132 Jahreswochenstunden in den vier Halbjahren - also durchschnittlich 33 pro Halbjahr. „Viele meiner Schülerinnen und Schüler haben dreimal Nachmittagsunterricht, manche auch viermal, von Montag bis Donnerstag, teilweise bis 17 Uhr. Da bleibt nicht viel Zeit für Vor- und Nachbereitung des Unterrichtsstoffes. Zeit für außerschulische Betätigungen wie Sporttreiben oder Engagement in politischen oder sozialen Gruppen wie Umweltschutz oder Jugendarbeit ist kaum noch vorhanden.“ Als Mathematiklehrer habe er oft ein schlechtes Gewissen, die Schülerinnen und Schüler mit Hausaufgaben zu entlassen: „Die jungen Leute sind nach einem so anstrengenden und langen Schultag einfach platt. Da geht nicht mehr viel. Sie wollen sich ausruhen, sind müde und erschöpft. Viele verbringen fast ihre komplette Freizeit mit der Vorbereitung auf den Unterricht. Das kann auf Dauer krank machen“, warnt Kirschner.

Durch die hohe Zahl an verpflichtend zu belegenden Fächern haben die Schüler/innen zudem weniger Möglichkeiten, ihre individuellen Stärken und Interessen in der Oberstufe zu pflegen. „Die dazu eingeführten Projekt- und Wissenschaftsseminare sind jeweils nur mit zwei Stunden pro Woche vorgesehen und liegen aus organisatorischen Gründen meistens am Ende des Nachmittags. Zwei Stunden pro Woche sind für Projektarbeit aber zu wenig“, stellte Kirschner fest und merkte an, „dass Schüler und Lehrer deutlich mehr Zeit in diese Fächer investieren müssen. Zeit, die dann für die Vor- und Nachbereitung anderer Fächer nicht mehr zur Verfügung steht.“

Köllner wies darauf hin, dass außerunterrichtliche Aktivitäten, häufig die Höhepunkte im Schulleben, aufgrund des extremen Anstiegs der Belastung für die Schüler in Gefahr seien. „So findet beispielsweise am Münchner Pestalozzi-Gymnasium alle zwei Jahre ein großes Oberstufen-Musicalprojekt statt. Doch in diesem Schuljahr ist unter den 43 Schülern, die sich dafür gemeldet haben, ein einziger aus der Q11. Bisher war die 11. Klasse am Pestalozzi- Gymnasium aber die am stärksten vertretene Jahrgangsstufe beim Musical.“ Die Elternbeiratsvorsitzende und Sprecherin der Gymnasialeltern in Bayern befürchtet: „Vermutlich müssen wir solche Projekte in Zukunft einstampfen.“

Schüler und Lehrer brauchen schnell Entlastung, forderten Köllner, Kirschner und Wenzel. „Der Lehrplandruck, die Prüfungsdichte, die hohe Stundenzahl bei gleichzeitig extrem hohen Anforderungen sowie die ständige Leistungsbewertung durch Noten müssen abgebaut werden.“ Im Mittelpunkt müsse eine neue Qualität des Unterrichts stehen. Ziel muss sein, möglichst vielen jungen Menschen möglichst vielfältige und wertvolle Kompetenzen zu vermitteln. Der Schulalltag sei so zu organisieren, dass es feste Lern- und Freizeitphasen gibt - im Übrigen auch für Lehrerinnen und Lehrer, denn sie sind aufgrund hoher Unterrichts- und Vorbereitungszeiten nicht weniger belastet.

Erneut wiederholte Wenzel daher die BLLV- Forderung, möglichst viele Gymnasien zu rhythmisierten Ganztagsschulen auszubauen. „Gymnasien dürfen nicht von Leistungs- und Prüfungsdruck beherrscht werden, der Schüler und Lehrer krank macht.“

Eigenen Bemerkung:
Planlose Einführung des G8. So wird man nicht Pisa Weltmeister, man fällt noch weiter zurück und Innovationsfähigkeit bleibt auf der Strecke.

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